Thema: Bahn – Investitionen in den Schienenverkehr

Veröffentlicht von Philip Holley 15. Juli 2019

Die Kreisdelegiertenversammlung, der Landesparteitag und der Bundesparteitag mögen beschließen:

Die Bundesregierung plant in jedem Haushalt für den Schienenverkehr Mittel aufgrund folgender Kriterien ein: 

  1. Die Sicherheit von Fahrgästen und Personal ist zu gewährleisten.
  2. Nicht nur der Fernverkehr, auch die Bedienung der Fläche ist zu verbessern.
  3. Gleis- und Rangieranlagen des Güterverkehrs sind zu modernisieren.
  4. Die Pünktlichkeit der Züge ist zu erhöhen.
  5. Die Organisation der Verwaltung der Deutschen Bahn ist modernen Erfordernissen anzupassen.

Begründung:

Im Jahr 2002 verzeichnete die Bahn 1,65 Milliarden Reisende, 2017 waren es 2,1 Milliarden. Das entspricht einem Zuwachs von 30 Prozent. Knapp 400.000 Menschen sind Tag für Tag in den Sorgenkindern IC und ICE unterwegs. Auch die Bedienung der Fläche ist in den vergangenen Jahren immer weiter ausgedünnt worden. Eine aus Umweltgründen dringend erforderliche Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene hat nicht stattgefunden, eher im Gegenteil.

Zu 1.: Um die Sicherheit von Fahrgästen und Personal zu gewährleisten sind der Ausbau des Schienennetzes und die Modernisierung der Signalanlagen erforderlich. Die Gleislänge in Kilometern ist um 9,4 Prozent gesunken: 2002 gab es 35.804 Kilometer Schiene, 2017 waren es nur noch 33.488. Die Funktionsfähigkeit des Netzes lässt zu wünschen übrig.

Unfälle sind deshalb weiterhin nicht ausgeschlossen. Im Februar 2014 kollidierte ein Güterzug der privaten niederländischen ERS vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof Mannheim mit einem aus Graz kommenden Eurocity; 35 Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer. Zwei Jahre später stießen zwei Meridian-Personenzüge auf der eingleisigen Strecke Holzkirchen-Rosenheim bei Bad Aibling frontal zusammen; zwölf Fahrgäste starben, 89 wurden teils schwer verletzt. Im Mai vergangenen Jahres fuhr auf der – ebenfalls eingleisigen – Strecke Ingolstadt-Augsburg im Bahnhof Aibach ein Regionalzug (BRB) auf einen stehenden Güterzug der DB Cargo auf; zwei Tote, 13 Verletzte.

Diese Unfälle sind keine Zufälle, sondern Ergebnisse der Tatsache, dass sich viele Bahnhöfe und Trassen in marodem Zustand befinden. „Per Hebel und Stahlseilzug werden nicht selten Signale aus Großvaters Zeiten bedient“ (SZ, 6.5.2019, S. 4), nur rund 600 von 1.200 Stellwerken sollen modernisiert werden. Die Fahrdienstleiter trifft nur bedingt Schuld, modernste Technik, die vorwiegend bei Fernstrecken zum Einsatz kommt, hätte ihre Fehlleistungen kompensieren und viel Leid verhindern können.

Zu 2.: Zwar will die Bahn in diesem Jahr ihr Streckennetz erneuern (SZ, 20.2.2019, S. 19), 1.500 Kilometer Gleise sollen saniert, mehr als 300 Brücken und rund 650 Bahnhofe erneuert werden, 10,7 Milliarden Euro sind dafür vorgesehen, allerdings nur für die Fernstrecken. Sicherlich ein Beitrag zur Eindämmung des Straßen- und inländischen Flugverkehrs. Das Schienennetz in der Fläche jedoch hat weiterhin das Nachsehen. Stillgelegte Verbindungen werden nicht reaktiviert, geschlossene Haltepunkte nicht wieder eröffnet, Bahnhöfe – soweit noch am Leben – nur noch „bei Bedarf“ bedient. Wer kann, zieht weg. Leerstände noch preisgünstiger Wohnungen sind die Folge. Ärzte geben auf. Ortsämter, Sparkassen und Supermärkte schließen. Zurückbleibende – meist ältere Menschen – sind mangels leistungsfähigem ÖPNV auf das eigene Auto angewiesen. Wen wundert es, dass viele sich abgehängt fühlen und politisch ihr Heil bei populistischen Betrügern suchen.

Hier könnte die Bahn als staatliches Unternehmen durch kluge – freilich erhöhte – Investitionen einen signifikanten Beitrag zum Schutz des Klimas und der Umwelt, zur Linderung der Wohnungsnot und zum sicheren Reisen von A nach B leisten. Ein ermutigendes Signal insoweit ist die regelmäßige Verbindung zwischen Luckenwalde und Berlin. Warum nicht mehr davon?

Zu 3.: Bisher ist der Transport von Gütern auf der Schiene in Deutschland rückläufig: 2002 waren es noch 278 Millionen Tonnen, 2017 nur von 271. Zu modernisieren sind die Gleis- und Rangieranlagen, sollte die Bahn ernsthaft vorhaben, der Straße mehr Transporte abspenstig zu machen.

  • Viel zu tun ist auf der größten Rangieranlage Europas in Maschen bei Hamburg. Beschäftigte dort können ein Lied davon singen. Sie klagen über fehlende Informationen bezüglich der Länge von Überholgleisen auf den vorgesehenen Strecken von Güterzügen, so dass sie deren Länge nicht korrekt bestimmen können.
  • Geradezu grotesk ist es, wenn Güterzüge vor Grenzübergängen auf deutscher Seite mangels Elektrifizierung mit Diesellok anrollen, letztere zeitaufwendig entkoppelt werden muss, damit der Zug auf der anderen Seite elektrifiziert weiterrollen kann.
  • Außerdem fehlen an den Standorten Lokführer zum Wenden der Züge, so dass immer wieder ICEs mit „geänderter Wagenreihung“ anrollen und Passagiere ihre reservierten Plätze nicht finden.

Zu 4.: Sicherlich ist der Mischverkehr, die gemeinsame Nutzung des Gleisnetzes durch City- und Intercityzüge und Güterzüge, zu beenden. In Japan und Frankreich ist das kein Thema, wohl aber in Deutschland, wo leider eine gegenteilige Tendenz zu beobachten ist (SZ, 11.3.2019, S. 17). Als Sofortmaßnahme käme eine Verkürzung der Güterzüge oder eine Verlängerung der Abstellgleise, auf denen DB-Cargo-Schlangen auf Überholungen durch Fernzüge warten, in Betracht. Der oft zu Verspätungen führende Stau auf den Fernstrecken durch zu langsam fahrende Güterzüge, denen nur unzureichende Wartegleise zur Verfügung stehen, muss aufhören.

Zu 5.: Bis heute wird darüber gestritten, ob die „Bahnreform“ von vor mehr als 20 Jahren eine Erfolgsstory ist. Indes: Es spricht nicht viel dafür. Die zwecks Vorbereitung der Privatisierungsmanie erfolgte Aufteilung des Unternehmens in eigenständige Gesellschaften für das Netz, den Fern- und Nahverkehr sowie die Bahnhöfe hat zu zeitraubenden Abstimmungsprozessen im Unternehmen geführt. „Das Personal an den Bahnhöfen weiß oft nicht, was Leitstellen irgendwo im Land entscheiden.“ (SZ, 29.3.2019, S. 4)

Will die Bahn den vielfältigen Herausforderungen der modernen Welt wirksam begegnen, als öffentliches Unternehmen eine Garantin werden für Klima- und Umweltschutz, sicheres und komfortables Reisen, den zuverlässigen Transport von Gütern und das erfolgreiche Einwerben der dafür notwendigen finanziellen Mittel, so muss sie ihr strukturelles Problem unverzüglich lösen. Schon aus diesem Grunde ist eine grundlegende Veränderung der politischen Verantwortlichkeit in unserem Land erforderlich.

(verabschiedet auf der Mitgliederversammlung am 21. Mai 2019)